May-Andacht (Trio für Viola, Violoncello und Kontrabaß) op.28

Kompositionsauftrag des Kleefeld-Trios für die traditionellen Marktzeit-Musiken der Karl-May-Stadt Bad Segeberg

I. Winne One (Allegro assai con brio)
II. Winne Two (Elegia. Molto adagio)
III. Der Henry-Stutzen (Scherzo. Vivace - Trio. Lento e misterioso)
IV. Ave Maria (Tema di Karl May con cinque variazioni. Andante)

ca. 14 Min.

Uraufführung: Bad Segeberg 18. April 2009

Das im Februar und März 2009 für das Kleefeld-Trio geschriebene Werk stellt insofern einen Bezug zum Schöpfer des Winnetou her, als es im letzten Satz Variationen über Karl Mays eigenes Ave Maria entwickelt, das der Komponist oft mit niederrheinischen Chören aufgeführt hat, die er zu seiner Schulzeit leitete. Das Stück ist so angelegt, daß die Sätze zum Ende hin länger werden, d.h. ca. 2 + 3 + 4 + 5 Minuten dauern und alles auf den Variationszyklus hinausläuft.

Der erste Satz kommt als vorwärtsdrängendes kurzes, aber intensives Allegro daher, während die anschließende Elegie in Form einer Passacaglia über ein mal zwei, mal viertaktiges Thema im 5/4 Takt jedes der drei Streichinstrumente nacheinander in Ruhe zu Wort kommen läßt. Beim dritten Satz handelt es sich traditionell um ein Scherzo mit Trio, hier im schönsten Doppelsinn des Wortes. Die beiden ausgesprochen grimmigen Scherzoteile, die als eine Art Fanfare über einer chromatischen Baßlinie beginnen, dann allerdings grotesk anmutende graziöse Züge annehmen durch rokokohafte Pralltriller, umrahmen das lento e misterioso überschriebene Trio, dessen irisierende Klänge durch natürliche und künstliche Flageoletts erzeugt werden. Zu den auf den Zuhörer hineinprasselnden Achtelstaccati des Scherzos wurde der Komponist durch den legendären “Henry-Stutzen” angeregt, “den die Indianer das Zaubergewehr nennen”, wie Karl May in seinem Schatz im Silbersee Tante Droll referieren läßt. Das Finale präsentiert Mays Originalkomposition Ave Maria als Thema und variiert es im folgenden fünfmal: Die erste Variation (grazioso) vermischt klassische Figuralvariationstechniken, wie wir sie von Beethovens Cellovariationen kennen, mit barockem Kontrapunkt und verzahnt die bei Karl May blockartig hintereinandergesetzen Choralzeilen kanonisch ineinander, gefolgt von einer feurigen Rumba im wechselnden 4/4 und 5/4 Takt (zweite Variation), während an zentraler Stelle die klassische Minore-Variation im Adagio-Tempo steht. Die vierte Veränderung (impetuoso ma non troppo allegro) bringt durch einen nervenaufreibenden Kontrapunkt das vertraute Thema erneut ins Wanken, dabei jedoch die Ave-Maria-Anrufung wörtlich zitierend. Diese wandert jedoch durch die einzelnen Stimmen und geht mit Absicht bisweilen unter, bevor es in der abschließenden fünften Variation in voller Blüte erstrahlt und dann nach einem kurzen musikalischen Fragezeichen den Satz mit einer knappen, aber bestimmten Geste beschließt.

Am Ende hat sich das originale B-Dur der Mayschen Komposition durchgesetzt, ein Tonartenkonflikt, der das gesamte Trio durchzieht: Ist das Eingangsallegro noch in c-Moll gehalten, aber mit den Vorzeichen von B-Dur, wodurch sich der Modus des Dorischen ergibt, wird das c-Moll der Elegie schon mehr in Frage gestellt, indem einzelne Abschitte in Des oder der verklingende Schlußton h um den Grundton kreisen. Das Scherzo versucht verbissen, wieder B-Dur als Tonart zu etablieren, der Trio-Teil hält jedoch mit flächigen c-Moll-Klängen dagegen; die nämliche Funktion erfüllt auch die Adagio-Variation des Finalsatzes. Doch Karl May hat das letzte Wort, und so klingt das Werk zuversichtlich in dessen B-Dur aus.

Übrigens hatten Karl May und Tobias van de Locht eine Zeitlang denselben skurrilen Nebenjob, nämlich den des evangelischen Gefängniskantors, lezterer an der Justizvollzugsanstalt Geldern in den frühen 1990er Jahren.